yallah

Ich bin Sascha. Sascha bin ich.

Ich bin die Wütende,
unerbittlich Kämpfende.

Ich bin die die in der Mitte steht, die Zerrissene.

Ich bin die Betroffene.

Bin Eine unter Vielen.

Ich bin die Ausländerin,
dritte Generation Zugewanderte.
Ich bin die non-threatening Dunkelhäutige.

Ich bin die die nicht versteht. Und wartet.

Unbeweglich weine ich die blutigen Tränen der Maria.
Auf Ewigkeit. Zwischen den Fronten.

Gibt es die Tränen oder gibt es sie nicht?
Gibt es das Blut oder gibt es das nicht?
Gibt es den Schmerz oder gibt es ihn nicht?

Einbildung der Betroffenen.

„Seht her, das sind wir. Seht unsere Wunden, unsere
aufgeschnittenen Arme, unsere blutenden Herzen.“

Sascha und die Betroffenen holen ihre Unterlagen raus:
Geburtsurkunde und Adresse und Schule, wohin sie als Kind
gegangen sind und zählen die Namen ihrer Freunde auf:

Mahmud Azhar

Amadeu Antonio

Nihad Yusufoglu

Helmut Leja

Agostinho Comboio

Samuel Kofi Yeboah

Mete Ekşi

Sadri Berisha

Alfred Salomon

Bahide Arslan

Semra Ertan


Freunde mit derselben Geburtsurkunde,
Freunde mit derselben Adresse.

Freunde, die niemals gegangen sind, weggehen konnten.
Freunde, die gestorben sind, das Schicksal hat sie
abgeknallt. Die Geschichte hat sie abgeschlachtet.

Oder
sie haben sich das Leben genommen, weil da nicht viel war,
was zu leben sich lohnte.

Und die Leute sagen:
Eure Unterlagen sind nicht echt
und eure Freunde auch nicht.

Eure Geschichten sind nicht unsere Geschichten und
deshalb eine Lüge.

Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
auch wenn


auch wenn

Und weiter sagen sie:
Ich sehe keine Farbe, ich sehe gleiche Menschen.

Bitte
sagen sie die Wahrheit:

Manche Menschen sind gleicher.
Andere nicht.

Gleich. Geichwertig.

Alle Farben sind gleich, sagen sie.

Schwarz und Weiß und
Schwarz und Weiß und
Schwarz und Weiß und Schwarz
und Schwarzsein.

Starrst du zu lange in den Abgrund
dann starrt er zurück

das schwarze Loch
Schwarzmalerei

ICH HABE MEINE SCHWARZEN TAGE

Die Farbe weiß kannst du kaschieren,
du kannst sie übermalen.

Du kannst ihr bunte Punkte geben,

sie kann dich annektieren.

Sie wird dich annektieren.

Und was ist mit dem schwarzen Mann?!
Wer hat Angst vor dem?

Ihr wechselt leis die Straßenseit’
und flüstert in die Hand:

Niemand Niemand

und der Niemand das bist du.

Du bist ein Niemand und Niemand will dich kennen.



Lasst mich nochmal von vorn beginnen.

Warum stehen wir in der Mitte,
warum bewegen wir uns nicht?

Warum sind wir stumm?
Sind starr

Da fliegen die Molotows und da die Steine,
da flattern die Banner im Wind.

Vorangeprescht!
Vorausgeeilt!

Doch wir
stehen still da
unsere krausen Locken zittern

und mitten im Getöse erhebt sich
eine leise Stimme
die sagt:

Ich kann nicht

Ich kann nicht

denn am anderen Ende vom Platz
steht mein Vater
genauso still da wie ich

und er schaut und schaut
und schaut zu mir
und sagt:


Ich habe Angst.

Mein Vater steht da
seine blass weiße Haut
und sagt:

Ich habe Angst.

Und zückt das Telefon
zeigt auf mich
und sagt:

Da ist die die ihr sucht
da ist eure Verräterin

die mit der falschen Farbe.

Da ist sie
die die ihr haben wollt
die Steine schmeißt und schreit.

Und mein Vater taucht ab
in die Masse
aus gräulich blass weißer Haut

mein Vater bleibt verschwunden

für mich regnet’s Knüppel zuhauf


Lasst mich nochmal von vorn beginnen.

Wer ist denn mein guter Ausländer?
Braver Ausländer, mein Feiner.

Bist du integriert? Dann bist du involviert.

Dann zahlst du bitte Steuern.

Und wehe ich erwische dich in der U-Bahn ohne Ticket,
dein letztes Stündlein hat geschlagen.

Und wehe du drängelst dich an der Supermarktkasse vor,
dein letztes Stündlein hat geschlagen.

Ich rede laut und deutlicher und immer deutsch-licher
damit wir uns verstehen

damit
du
mich
verstehen

verstehen sie mich nicht falsch
das wird man ja wohl noch sagen dürfen


Lasst mich nochmal von vorn beginnen
Ich steh zwischen den Stühlen.

Ich fühl mich ausgelaugt
und leer
und vollkommen allein

ich fühl die muskeln sich verkrampfen
au
au

aua

wenn ich durch die kleinen städte laufe

halle

hanau


solingen


rostock


fühl die muskeln sich verkrampfen.

der blonde schnurrbart wackelt vom grinsen
der schäferhund bellt
die glatze ist poliert

ich fühl die muskeln sich verkrampfen


Lasst mich nochmal von vorn beginnen

aufs maul
hau drauf
schlag zu
ihm die fresse eindreschen

und im feuilleton da heißt es:

jaja
soso
tüdelü
dies das

und wieso bringt Beyonce ein album über rassismus raus
die ist doch gar nicht schwarz.



Sarah Claire Wray

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