Hab‘ Fernweh
nach der Heimat
und weiß nicht,
ob es Heimweh ist.
Ich weiß nicht
was es ist,
was ich eigentlich
vermiss‘.
Tausch‘ ich‘s ein,
das ruhige Dorf
mit meinem Wohnblock
gegen die Großstadt
mit dem Haus,
frag‘ mich, was mehr verlockt.
Entscheid‘ ich mich
gegen das Wurzelgeflecht,
in dem ich mich bloß verlier‘
für die Abgeschiedenheit von hier?
Verwurzelt bin ich anderswo,
Vaterland, nennen sie‘s,
würden sie mir glauben,
gestünde ich, dass ich
Deutsch besser spreche
als meine eigentliche
Muttersprache?
Also frag‘ ich mich, was macht es – ich –
unter‘m Strich für einen Unterschied,
was macht mich denn so unterschiedlich;
warum sagen, fragen sie‘s so oft?
Meine Muttersprache,
eine Sprache ohne Prestige
ohne Mehr-wert,
keine Sprache, die man lernt,
die man öffentlich spricht,
eine die man besser verlernt,
vielleicht auch vergisst.
Wenn ich sag‘,
“woher ich komm‘“,
sagt man mir
ganz überrascht,
dass man mir meine Herkunft
nicht an meinem Deutsch
und nicht an meiner Haut erkennt,
man sagt mir, ich sähe ja so
“westlich” aus und dieselben
nehmen sich‘s heraus,
wen anders als “exotisch” zu bezeichnen
und ich frag‘ mich, was sie sich so
für jede Nationalität für
(Vor)Urteile zurechtgelegt haben,
weil sie bestimmt Experten darin sind,
jemandes Sein an seinem Aussehen zu erkennen,
weil ja mehr zählt,
woher und was, statt wie ich bin.
Fremd hier, fremd dort,
weiß nicht, als was
ich mich bezeichne,
wo ich das Kreuz für
meine Ankunft zeichne.
Ja wohin
sollt‘ ich ankommen,
vielleicht zurückkehren,
will nur fort, fort, fort,
fort an den Ort,
wo ich sagen kann,
hier, hier gehör‘ ich hin.
Was bin ich denn nun?
Beim Vorstellen
zuerst immer klarstellen,
meine Eltern sind von dort,
aber ich, ich bin hier geboren!
Um meinem Namen Erklärung
und meinem Dasein Berechtigung zu geben,
oder damit sich die Leute bei dem
Schubladenzuschiebenschließen
nicht vertun und mich noch in die nicht ganz
abgeschobene Lade verschieben.
Brauche kein “Hier”, kein “Dort”,
kein “Von da, aber hier gebor‘n”.
brauche bloß Ankunft.
Stattdessen
frag‘ ich mich,
wo bin ich zuhaus‘,
hier oder dort,
oder doch an
keinem Ort?
Undzwischen
dem Hier und dem Dort
sehen wir die Grenzen
nicht verwischen,
während meine
Anfänge und Enden
erlischen und enden.
Du siehst dieses Land als das deinige,
doch weißt du, es ist auch das meine.
Es ist das unsre,
denn ich brauch‘ mich nicht
dazwischen zu entscheiden,
ich brauch‘ keine Grenzen,
die mich in zwei Hälften scheiden,
denn ich bin einfach beides,
denn ich bin mehr.
-Emina Serdarević