Call me by my name

Mein Vater arbeitet seit 25 Jahren in ein- und derselben Fabrik. Auch nach 25 Jahren gibt es dort Menschen, die es nicht schaffen, ihn mit seinem richtigen Namen – Tasos – anzusprechen, vom „unaussprechlichen griechischen Zungenbrechernachnamen“ mal ganz zu schweigen. 25 Jahre.

Er nimmt es mit Humor, sagt, dass ihm das im Umkehrschluss vieles einfacher macht, denn so müsste er schließlich auch nicht penibel auf die Aussprache der deutschen Namen seiner Kollegen bestehen.
Torsten, Timo, Tobias – klingt doch auch alles sehr ähnlich. Ich weiß noch, dass ich als Kind oft wütend auf ihn wurde, wenn wir zusammen unterwegs waren und er sich offensichtlich keine Mühe beim Aussprechen irgendwelcher deutschen Wörter oder Namen gab. „Papa, das kannst du doch viel besser, warum machst du das, wie sollen sie uns verstehen?“ habe ich in vorwurfsvollem Ton gefragt.
Er zuckte nur mit den Achseln und lächelte mich an. Später ist mir bewusst geworden, dass mein Vater einen Weg gefunden hatte, mit der Respektlosigkeit, die ihm entgegengebracht wurde, scherzhaft umzugehen. Schließlich machte er das auch nicht immer. Bei Menschen, die uns näher standen, hörte er gut zu und sprach deutlich, fast fehlerfrei.
Was ich als Kind noch nicht sah, nämlich, dass man uns durchaus verstehen konnte, das aber schlicht und ergreifend nicht wollte und uns stattdessen lieber irritierte Blicke zuwarf, wurde mir allmählich immer klarer. Während ich früher noch beschämt mitlächelte, wenn man aus meinem Namen ein Christa, Chiara, Lisa oder Christina machte, meinen Nachnamen vorwärts und rückwärts buchstabieren konnte, um Fehler am Telefon oder bei anderen Gesprächen zu vermeiden (natürlich wurde er trotz des Buchstabierens falsch geschrieben), merkte ich, wie, je älter ich wurde, auch die Wut in mir aufstieg.
In manchen Situationen lächelst du dann trotzdem weiterhin beschämt vor dich hin, weil du aus Erfahrung weißt, dass es keinen Sinn hat, den alten deutschen Herrn, der dir gegenübersteht zu korrigieren, aber in anderen machst du deutlich, dass es dir eben nicht passt, der Einfachheit halber Christa genannt zu werden, weil das einfach nicht dein Name ist. Tritt der zweite Fall ein, kommt dann schnell mal an Stelle einer durchaus angebrachten Entschuldigung und der richtigen Aussprache des Namens ein „Hach, ihr rassigen Südländer und euer Temperament, hihi“ … Worte, die mein ach so rassiges Temperament zum kochen bringen, wie du sicherlich verstehst, Torsten.

Unsere Namen sind Teil unserer Identität.

Chrisa Maria – das sind die Namen meiner beiden Großmütter, die ich trage und die ich mittlerweile laut und stolz aussprechen kann, auch wenn ich als Kind bestimmt oft lieber Lisa-Marie geheißen hätte, um mir unnötige Witze und Momente peinlichen Schweigens zu ersparen.

Chrisa Maria, das sind die Mütter meiner Eltern, zwei Frauen aus zwei Ländern, den Heimatländern meiner Eltern. Es ist das Blau des griechischen Ozeans und das Grün der Rodopen, es sind Gerüche von Olivenbäumen und von frisch gebackener Banitsa. Dieser Name, das bin ich.

Um es also mit den Worten von Destiny’s Child zu formulieren: Say my name – aber bitte richtig.

Chrisa Korosoglou

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